Medienschau

"Sie werden auch mit den besten Regelungen nicht verhindern können, dass etwas passiert"

artikelbild_monopol-medienschau

Hessens Kunstminister über die Zukunft der Documenta, Sam Taylor-Johnsons Amy-Winehouse-Film und der abgesetzte Künstler für den polnischen Pavillon stellt nun trotzdem in Venedig aus: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Antisemitismus-Debatte und Nahostkrieg

Wie will Hessens Kunstminister Timon Gremmels verhindern, dass auf der nächsten Documenta wieder antisemitische Kunstwerke gezeigt werden, fragt die "FR". "Durch eine deutlich sensiblere Documenta GmbH und eine deutlich sensiblere künstlerische Leitung. Wobei man natürlich darauf aufpassen muss, dass die künstlerische Freiheit gewahrt bleibt. Die Sorgen, dass diese eingeschränkt werden könnte, nehme ich ernst. Wichtig ist, dass alle Beteiligten eine klare Haltung haben und wir wissen, wie eine künstlerische Leitung sich zu diesen Themen positioniert." Dass "der israelbezogene Antisemitismus aktuell im Kunst- und Kulturbetrieb so stark sichtbar" sei, liege daran, dass "dieser Konflikt wird im Bereich der Kunst und auch der Wissenschaft stellvertretend für die ganze Gesellschaft ausgetragen" wird. "Sie werden auch mit den besten Regelungen nicht verhindern können, dass etwas passiert. Aber dann müssen die Verantwortlichen eine klare Haltung haben und Position beziehen. Das ist in der Vergangenheit nicht immer geschehen." Und bleibt es bei dem Plan, bis Ende dieses Jahres eine neue künstlerische Leitung zu präsentieren? "Alle Beteiligten arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Documenta 2027 stattfinden kann. Wir müssen zeitnah eine neue Findungskommission berufen, um Ende dieses Jahres eine künstlerische Leitung präsentieren zu können. Das ist ambitioniert, aber ich habe immer gesagt, dass 2027 auch kein Dogma ist."

Andreas Scheiner schreibt in der "NZZ" über die Sitzung des Kultur-Ausschusses des deutschen Bundestags, der sich mit der Antisemitismus-Debatte um die Berlinale befasst hat. "Niemand ist schuld. Oder wenn, dann die andern", bilanziert Scheiner. "Geeinigt hat man sich darauf, dass die Moderatorin der Abschlussveranstaltung versagt hat: Sie hielt sich offenbar nicht an die Abmachung, bei allzu krassen Anti-Israel-Statements einzugreifen. Verantwortlich für die Leitung der Show sei ausserdem das ZDF gewesen, nicht die Berlinale. Dies betonten bei der Aussprache mit den Abgeordneten unisono die Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die damalige Geschäftsführerin der Festspiele, Mariette Rissenbeek." Zu der Frage, warum die Berlinale kein Wort für den Schauspieler und früheren Berlinale-Gast David Cunio übrig gehabt habe, der von der Hamas als Geisel gehalten wird, zitiert Scheiner Mariette Rissenbeck: "Man habe nach dem richtigen Moment gesucht, zu zögerlich sei man vorgegangen. 'Im Nachhinein bedauern wir das sehr.' Gewissermassen zu ihrer Verteidigung verwies sie dann noch auf ihre Grosseltern, die sich in den Niederlanden Juden vor den Nazis versteckt hätten."

In einer Berliner Buchhandlung haben Unbekannte mehrere Bücher zum Thema Antisemitismus beschädigt. Sechs Exemplare des Buches "Deutsche Lebenslügen" des jüdischen Autors und Chefredakteurs der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Peyman Engel, sowie sechs Exemplare zwei weiterer Titel seien am Mittwoch beschädigt worden, bestätigte eine Sprecherin des Kulturkaufhauses Dussmann am Donnerstag. Zuvor hatte die "Berliner Morgenpost" berichtet.   Alle Titel beschäftigten sich kritisch mit linkem Antisemitismus, so die Sprecherin. "Wir nehmen den Vorfall sehr ernst und haben heute Anzeige gegen Unbekannt erstattet und unsere Auswertungen den Ermittlungsbehörden übergeben." Weitere Angaben seien nicht möglich. Die zerstörten Bücher seien umgehend durch neue Exemplare ersetzt worden.

Venedig-Biennale

Der Künstler Ignacy Czwartos, der ursprünglich Polen auf der Biennale von Venedig vertreten sollte, dann aber von der neuen Regierung des Landes abgesetzt wurde, zeigt seine eigene Ausstellung in der Nähe des offiziellen polnischen Pavillons, berichtet "The Art Newspaper". Die Ausstellung "Polonia Uncensored" wird vom Warschauer Zentrum für zeitgenössische Kunst, Schloss Ujazdowski, in der Viale IV Novembre außerhalb der Giardni organisiert. Sie umfasst 15 Gemälde, die polnische Persönlichkeiten und Ereignisse darstellen, die "vom kommunistischen Regime zwischen 1945 und 1989 verboten wurden", heißt es in einer Erklärung. Czwartos wurde unter der vorherigen, rechtsgerichteten Regierung ausgewählt, um das Land zu repräsentieren, und hat gesagt, dass die Absage seiner Ausstellung ein Akt der "Zensur" war.

Ausstellung

In der "SZ" bespricht Alexander Menden die große Retrospektive von Künstlerin Roni Horn im Kölner Museum Ludwig, die er als "umfassend“ und "sehr gut kuratiert" wahrnimmt. Zu der Künstlerin schreibt er: "Roni Horn hat sich seit ihren Anfängen in den Siebzigerjahren stets gegen Festlegungen gesträubt. Das gilt nicht nur für sie selbst, die sich bereits Jahrzehnte vor den gegenwärtigen Gender-Grabenkämpfen weigerte, sich auf ein Geschlecht festlegen zu lassen. Es gilt auch für ihre Kunst. Eine Umschreibung ihrer Arbeiten als Minimal Art oder Konzeptkunst widerstrebt ihr, weil diese Art von Schubladendenken der ganzen Arbeit entgegenläuft."

Kunstmarkt

Stefan Kobel hält im "Handelsblatt" das Angebot der Art Düsseldorf für stimmig, hadert aber mit dem Termin, nachdem die Kunstmesse von den Herbst ins Frühjahr gerutscht ist. Nicht nur mit Venedig müsse es die Art Düsseldorf aufnehmen. "Es dürfte auch nicht leicht sein, vor dem Hintergrund der aktuellen Marktflaute und mit dem 'Gallery Weekend Berlin', der 'Art Brussels' und der Mailänder 'Miart' in unmittelbarer terminlicher Nähe Sammler, Kuratoren und damit Umsatz an den Rhein zu ziehen."

Design

Für das "ZEITmagazin" war Elena Lynch zu Besuch in drei exzentrisch-verspielten Berliner Wohnungen. Während eine interviewte Bewohnerin ihr Appartement mit McDonald's-Memorabilien dekoriert, bewegt sich ein anderes Paar rollschuhfahrend durch seine museal anmutende Wohnung mit mehr als 666 Kunstwerken. Im Interieur einer fünfköpfigen Familie spielt eine sieben Meter lange Feuerwehrstange eine wichtige Rolle.

Film

Seit gestern läuft das Biopic "Back to Black" von der einstigen bildenden Künstlerin Sam Taylor-Johnson über das Leben der verstorbenen Sängerin Amy Winehouse in den deutschen Kinos. Verschiedene Medien haben sich den Film angeschaut, die Urteile fallen größtenteils kritisch aus, aber nicht nur. Daniel Gerhardt schreibt in der "Zeit": "'Back to Black' ist ein Spielfilm über Amy Winehouse, und ausgerechnet der Ton stimmt nicht. Wie kann man so ein wildes, tragisches Leben nur so brav und sauber erzählen?" Elena Witzeck in der "FAZ" findet: "Es ist dieser Drift ins Märchenhafte, der für weit mehr als fünf Minuten vergessen lässt, dass hier ein Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis zu hören ist, dem vieles gelingt, bloß nicht, was Amy Winehouse in ihren besten Momenten gelang; dass da eine Schauspielerin unter größtem Einsatz singt und trinkt und stolpert, ohne je an Amys Komplexität und knarzende Stimme heranzureichen. Und dass sich eine Regisseurin mit Sensibilität der Lebensgeschichte einer großen Jazzkünstlerin annimmt, ohne ihre Höhle mit den Gefühlen zu finden." In der "NZZ" wird ganz besonders die Leistung von Amy-Schauspielerin Marisa Abela gelobt: "Es gelingt der 27-jährigen Britin beispielhaft, den melodramatischen Tonfall und die differenzierte Phrasierung der unvergleichlichen Sängerin zu imitieren. Gekrönt mit einer Beehive-Frisur, gezeichnet von markigen Tattoos, bringt sie in ihrer Rolle auch die Ambivalenz von Vitalität und Verzweiflung zum Ausdruck. Und wenn sie sich in den gut zwei Stunden des Films von einem aufgekratzten Mädchen in eine gebrochene, verzweifelte Frau verwandelt hat, ist man fast so traurig wie damals im Juli 2011, als sich die Nachricht von Amys Tod verbreitete."

Die deutsch-französische Schauspielerin Diane Kruger hat beim Dreh von körperlich intimen Szenen eine Routine entwickelt. Sie habe schnell gelernt, dass man bei Liebesszenen "nicht hundertprozentig Gas geben" müsse, damit es echt aussieht, sagte die 47-Jährige der "FAZ". Die erste Kussszene, die sie spielen musste, sei unter der Regie ihres damaligen Manns Guillaume Canet für "Bad, Bad Things" (2002) gewesen - "was auch ein bisschen komisch war". Kruger, die aus der niedersächsischen Gemeinde Algermissen stammt, ergänzte: "Ich bin aber generell nicht so der Fan von Sexszenen im Film." Aktuell ist sie im Erotikthriller "Visions" von Yann Gozlan zu sehen, der seit Freitag auf DVD erhältlich ist. Sie spielt darin eine verheiratete Pilotin, die eine ehemalige Geliebte trifft. Während ihre Gefühle immer intensiver werden, hat sie wiederkehrende Visionen und Albträume. "Bei diesem Film habe ich mich dafür eingesetzt, dass wir diese Szenen auf eine bestimmte Art drehen", sagte Kruger in Bezug auf Sexszenen in dem Film. "Ich bin zum Beispiel nicht wirklich nackt zu sehen, weil ich fand, dass der Film in diesen Szenen sowieso schon voyeuristisch ist. Da sind zwei Frauen, die durch ein Loch in der Wand beobachtet werden, als sie sich lieben. Gefilmt von einem männlichen Regisseur. Ich wollte nicht, dass dann noch irgendwie so eine Schicht von Voyeurismus draufgelegt wird. Das ist unnötig." Früher habe sie vor dem Dreh solcher Szenen einen Shot Whisky oder Wodka getrunken. "Mittlerweile ist es aber nicht mehr so ein Thema, den Shot brauche ich nicht mehr."