"This is Poor!" von Kerstin Honeit

Kaleidoskopische Schnipsel der Armut

Lässt sich das Thema Armut als Polit-Revue verhandeln? Kerstin Honeits mitreißende Film-Collage "This is Poor! Patterns of Poverty" zeigt, wie das gehen kann. Jetzt ist das Werk im Berliner Kindl Zentrum zu sehen

Den Aufstand gegen Immobilienspekulationen und soziale Ungerechtigkeit proben und sich dabei auf Karl Marx berufen – klingt nach engagierter, aber wohl auch dröger Agitprop-Kunst. Dass es auch anders geht, zeigt Kerstin Honeit in ihrem mitreißendem Film "This is Poor! Patterns of Poverty" (2024), der jetzt im Berliner Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst seine Premiere feiert. 

Die Revue-artige, so verspielte wie energiegeladene Polit-Collage beginnt mit einem kurzen Ausschnitt einer TV-Nachrichtensendung, die festlich-fröhlich über die Eröffnung des "Steglitzer Kreisels" im Jahre 1980 berichtet. Das Hochhaus war einst eines der höchsten Bürogebäude in Westberlin. Zunächst fand es kaum Mieter und wurde daraufhin als Bezirksamt Steglitz/Zehlendorf genutzt, auch eine Vergabestelle für Sozialhilfe residierte dort. Doch seit 2007 steht der "Steglitzer Kreisel" leer, soll jetzt umgebaut werden für lukrative Luxusimmobilien. Stattdessen aber steht das Gebäude momentan symbolträchtig als eingerüstete Bauruine im Stadtraum.

Schnitt: Kerstin Honeit ist zu sehen, wie sie gemeinsam mit ihren Eltern einem englischen Sprachkurs folgt, genauer: der Reihe "Karl Marx in England" (1966 - 1980) des DDR-Fernsehens. Mit eben diesem TV-Kurs hatte die Berliner Künstlerin "aus einfachen Verhältnissen" als Kind begonnen, Englisch zu lernen.

Der sozialkritische Reigen wird dann mit Bildern des familiären, eher kleinbürgerlichen Honeit'schen Interieurs fortgesetzt. Präsentiert in Form von kaleidoskopischen Bildschnipseln erzählen diese biografischen Spuren in fast schon poetisch anmutender Weise von alltäglicher Armut. 

Politischer Umsturz dank Bildbearbeitung

Projiziert werden diese "Patterns of Poverty" in dem Film auf eine große Leinwand, vor der Kerstin Honeit mit ihren Eltern sowie mit Mitgliedern des Berliner "Straßenchors" steht. In diesem musizieren seit 2009 unter anderem Obdachlose und Drogenabhängige. Gemeinsam kommentieren sie das Gesehene, der vermeintliche "Rand der Gesellschaft" nimmt sich die Bühne. 

Wieder Schnitt: Auf einer Rasenfläche gegenüber des "Steglitzer Kreisels" probt der "Straßenchor" erklärtermaßen den Aufstand. Entschlossen-lustvoll skandieren sie in Richtung des Hochhauses: "Weil der Fahrstuhl abwärts fährt. Meistens. Also für die Meisten. E wie Elend. Oder wie Erdgeschoss. Stütze, Stürze, Spekulation – Skyscraper stürzen stockweise". Und tatsächlich fällt der "Steglitzer Kreisel" nach der Probe um, der ersehnte (politische) Umsturz ist, wenn auch nur dank Bildbearbeitung, gelungen.

Kerstin Honeits Film beweist eindrucksvoll, dass politische Kunst unterhaltsam und agitatorisch-engagiert zugleich sein kann, verspielt und analytisch-klug. Eine sehenswerte Entdeckung!